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Presse 2007

«Jüdische Zeitung»       Mai 2007
  Exzellenzen «kicken» in Potsdam für Toleranz
  Diplomaten einmal auf ganz anderem Parkett / von Lutz Lorenz
  Zum klischeehaften Bild eines Diplomaten gehört noch immer ein gesetzterer Herr mittleren Alters im grauen oder schwarzen Anzug, mit dicker Limousine vor der Villa im Grünen oder einem Champagnerglas in der Hand. Doch nicht nur die ganz alltägliche Berufs- und Arbeitswelt des Diplomaten hat sich in den letzten etwa 15 Jahren entscheidend verändert, sondern auch die Zusammensetzung des Diplomatischen Corps.

Mit dem Zerfall der Sowjetunion und des sozialistischen Systems in den Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas ergab sich die Notwendigkeit, relativ kurzfristig neues diplomatisches Personal zu akquirieren, auszubilden und zu entsenden. Die alten kommunistischen Diplomaten sollten die neu entstandenen Demokratien im Ausland nicht mehr vertreten. So ist es in der neuen Generation der Diplomatie nicht ungewöhnlich, wenn beispielsweise die Generalkonsulin eines baltischen Staates in Sankt Petersburg kaum dreißig Jahre alt ist.

Auch die Diplomaten und Mitarbeiter der ehemaligen Länder der sozialistischen Wirtschaftsgemeinschaft und der GUS-Staaten, die in Berlin akkreditiert wurden, sind im Durchschnitt erheblich jünger als ihre Berufskollegen der alten westlichen Demokratien. Ähnlich verhält es sich mit den Vertretern vieler afrikanischer, südamerikanischer oder fernöstlicher Länder.

So fällt der Rückgriff auf junge Fußballakteure in den Botschaften nicht schwer. Bereits zum sechsten Mal seit dem Umzug der Bundesregierung nach Berlin finden sich am Wochenende des 26. und 27. Mai in der Sporthalle an der Potsdamer Heinrich-Mann-Allee 103 die Hallenfußballmannschaften aus den in der Bundeshauptstadt ansässigen Botschaften zusammen, um mehr mit- als gegeneinander zu kicken. Vorläufer hat es schon ein ganzes Jahrzehnt auf den Bonner Rheinwiesen gegeben.

In diesem Jahr sind es die Botschaften Spaniens, Polens, der Ukraine, der USA, Frankreichs, Italiens, Russlands, der Türkei, des Iran, Dänemarks, Serbiens und Marokkos. Aserbaidschan, Oman, Elfenbeinküste und Indonesien sind zum ersten Mal dabei. Die Botschaft Serbiens ebenso: ihre Kicker traten im letzten Jahr noch als Botschaft von Serbien und Montenegro an. 24 Stunden nach dem Turnier 2006 hatte die Bevölkerung Montenegros für die Trennung von Serbien gestimmt.

Israel steht auf der Warteliste. Scheinbar hatten sich die Fußballenthusiasten der israelischen Botschaft zu spät angemeldet, werden aber nachrücken, falls die Vertretung eines anderen Staates absagt. Ebenso zu spät traf die Anmeldung der Botschaft der Ur-Fußballnation Brasilien ein, immerhin Turniersieger 2003, oder der Botschaft Ungarns, die bislang als einzige Mission tatsächlich Seine Exzellenz den Botschafter auf dieses ungewöhnliche diplomatische Parkett geschickt hatte. Das Königreich Dänemark wird erneut vertreten sein: Die nordischen Diplomaten stellten bislang die einzige Frau in einem der Teams des Turniers auf. Immer mit dabei: Mannschaften des deutschen Auswärtigen Amtes sowie der Hauptsponsoren, in diesem Jahr der Commerzbank International Counter, der Stadtwerke Potsdam, der Deutschen Telekom und der Volvo Koch Gruppe.

In der Tat treten nur Diplomaten, Angestellte, Mitarbeiter und deren Familien an. Ein Wettkampfgericht aus professionellen Schiedsrichtern des brandenburgischen Schiedsrichter-Verbandes kontrolliert vor dem Anpfiff die Namen und fragt die Tätigkeiten in den Botschaften ab. Da man einander vom wirklichen diplomatischen Parkett gut kennt, sind Verstöße gegen die Teilnahmeregelung wohl ausgeschlossen. So könnte ein italienischer Konsularsekretär auf den Fahrer des marokkanischen Botschafters treffen, der Security-Mitarbeiter aus dem Oman auf den aserbaidschanischen Wirtschaftsattaché. Die Gruppenauslosung nahm als «Glücksfee» Tanja Mohlala, Südafrikanerin in Berlin und künftige Sportmarketingstudentin, bereits Mitte März vor. Bei der anschließenden Party aller Mannschaften in der Deutschen Bank in Berlin wichen der jungen Frau die Spieler aus der Botschaft der Elfenbeinküste und ein US-amerikanischer Diplomat kaum von der Seite.

Fußball hat ein festes Regelwerk – und Sport eigene Regeln der Fairness. Beide gelten auch beim Fußballturnier der Diplomaten. Dennoch oder gerade deshalb verspricht zum Beispiel die diesjährigen Begegnungen in der Gruppe B zwischen der Ukraine und Russland besonders spannend zu werden.

Initiator des Fußballturniers ist Hikmet Güvenc von der Botschaft der Türkei. Selbst Fußballfan und aktiver Spieler fällt es ihm schwer, die beiden Wettkampf-Tage «nur» am Rand zu stehen, die Gesamtorganisation im Überblick zu behalten, sich um die Sponsoren oder die Vertreter der Landesregierung zu kümmern, die dem Turnier einen Besuch abstatten. Güvenc ist fast der einziger vom Team, der somit das ganze Wochenende «Diplomat par excellence» sein muss, assistiert von Katrin Dost von der «Initiative Toleranz» beim Auswärtigen Amt, Andreas Dost, der unermüdlich die Ergebnisse sofort in verwertbare Wettkampftabellen umwandelt sowie einer Umzahl von Kampf- und Linienrichtern, Helfern, Hostessen, Mannschaftsbetreuern, Dolmetschern, Sanitätern oder Masseuren.

Der «Embassy Cup», wie das Turnier inzwischen offiziell heißt, ist zu einem festen Termin im Berlin-brandenburgischen Fußballkalender geworden: So wurde der Geschäftsführer von Hertha BSC, Ingo Schiller, zum «Friedensbotschafter» des diesjährigen Turniers berufen. Die Traditionsmannschaft seines Vereins trifft im Rahmenprogramm auf die vom 1. FC Union Berlin, die «Alt-Herrenmannschaften» der Berlin British School und von Fortuna Werder sowie das «Hans-Rosenthal-Team» von Tennis Borussia Berlin. Auch im Kalender des Potsdamer Oberbürgermeisters ist der Cup ein fester Termin, seit der Ausrichtung in Potsdam hat er die Schirmherrschaft inne.

Nach Abzug aller Kosten kommen die Überschüsse aus den Sponsoreneinnahmen brandenburgischen caritativen Einrichtungen, Bildungsträgern und Kulturinitiativen zu Gute. So werden die AIDS Hilfe Brandenburg e.V., der Förderverein der Voltaire-Gesamtschule oder das Accord Orchestra Potsdam unterstützt. Letzteres geht einmal im Jahr mit 40 Musikern zwischen 12 und 20 Jahren auf Auslandskonzertreise, um seinerseits als junge Botschafter der Landeshauptstadt Potsdam aufzutreten.

Erstmals in diesem Jahr gehört die Werner Media Group zu den ethnischen Medienpartnern des Turniers. Die Leserinnen und Leser aller Zeitungen unserer Verlagsgruppe sind herzlich eingeladen, das Fußballturnier zu verfolgen und dabei nicht nur sportliche Spannung, sondern auch Spaß für die ganze Familie zu erleben: Rings um die Halle wird am Turnier-Sonntag das «Internationale Toleranzfest» stattfinden, bei dem die Botschaften mit kulinarischen Spezialitäten, Kunsthandwerk, Live-Musik sowie touristischen Informationen ihrer Länder aufwarten. Speziell für die Kleinsten ist unter anderem ein Kinderschminken in vielen außereuropäischen Stilen geplant. Wer sich also nicht zwischen die erfahrungsgemäß sehr enthusiastisch-lautstarken Fans mischen will, wird vor der Sporthalle seinen Spaß haben.

Lutz LORENZ
Werner Media Group GmbH Berlin